Mehr Sicherheit beim Rechtsabbiegen

Hochdynamische und feingranulare
Verkehrs­daten­erfassung für mehr Verkehrs­sicherheit in Städten

Motivation

In vielen Städten helfen Verkehrsdaten, erfasst über lokale Detektoren (z. B. Induktionsschleifen, Radar, Infrarot) oder aus fahrzeugbasierten Navigationssystemen (z. B. TomTom, INRIX, HERE), die aktuelle lokale Verkehrssituation zu bestimmen. Daraus können Maßnahmen abgeleitet werden, die entweder unmittelbar verkehrsbeeinflussend wirken oder sich (nach statistischer Aggregation) in Infrastrukturänderungen widerspiegeln. So liefern beispielsweise in Berlin mehr als 300 lokale Messstellen auf den Hauptverkehrsstraßen und mehr als 800 lokale Messstellen auf den Bundesautobahnen ein stets aktuelles Lagebild des Kfz-Verkehrs. Über mehrjährige Auswertungen lassen sich besonders kritische Verkehrsabschnitte identifizieren. Zwar leisten diese Verkehrsdaten einen wertvollen Beitrag zur Verkehrssicherheit in Berlin, als Mittel der unmittelbaren Unfallprävention auf der Ebene von Einzelereignissen ist diese Sensorik allerdings nicht geeignet, weil die zeitliche Erfassungsrate zu gering und die örtliche Auflösung zu grob ist. Hier setzt der vorliegende Projektvorschlag an.

Unser Ziel

Im Laufe des Projektes werden durch Videodetektion die Bewegungsdaten von Verkehrsteilnehmern (inkl. Fußgängern, Fahrradfahrern, etc.) hochdynamisch und feingranular an besonderen Unfallschwerpunkten erfasst. Diese dienen als Grundlage zur Detektion von sicherheitskritischen Situationen. Ziel ist es, daraus unmittelbare Vermeidungsmaßnahmen (z.B. Warnungen an die Verkehrsteilnehmer) abzuleiten. Dabei soll der Schwerpunkt im Projekt auf der Erhöhung der Verkehrssicherheit für Fahrradfahrer liegen. Ein typisches Szenario sind Unfälle von Fahrradfahrern beim Überqueren einer Kreuzung mit rechts abbiegenden Lkw oder Pkw.

Durchführung

Technologisch wird dieses Ziel zunächst dadurch erreicht, dass der Verkehrsraum im Umfeld von kritischen Verkehrsabschnitten mit Videokameras in einer Dichte wie in Verkehrstunneln ausgestattet wird (Abstand ca. 50- 75 Meter). Dabei sollen aus Kostengründen vorhandene Infrastrukturelemente wie Beleuchtungsmasten genutzt werden. Aus den Videostreams werden dann mit modernen Bildverarbeitungsalgorithmen Ort, Geschwindigkeit und Beschleunigung aller Verkehrsteilnehmer berechnet (Tracking). Zusätzlich werden die Objekte bezüglich einer vordefinierten Objektklassenbibliothek klassifiziert (z. B. kleiner Pkw, Fahrrad, 30t-Lkw). Eine Besonderheit im Projekt stellt die verteilte Berechnung in jedem Kameraknoten mit einem unmittelbar gekoppelten schnellen embedded Computing dar.

Mit Hilfe hinterlegter dynamischer Modelle wird die Genauigkeit noch weiter gesteigert. Diese Modelle sind in einer Mikroverkehrssimulation verankert, die laufend mit den aktuellen Bewegungsdaten gespeist wird. Neben physikalisch-dynamischen Modellen sind hier auch Modelle des Verhaltens der Verkehrsteilnehmer hinterlegt. Die Simulation liefert so ein robustes und störungsfreies logisch-dynamisches Abbild der Verkehrssituation (Bewegungspfade der Verkehrsteilnehmer) und erlaubt die Ableitung von Prädiktionen der zukünftigen Entwicklung – insbesondere eine mögliche zukünftige Kollision. Diese Berechnungen können dann Grundlage einer unmittelbaren Warnung sein, die beispielsweise durch besonders auffällige Lichtsignale auf dem Fahrradweg vor einer Kreuzung, durch eine Echtzeitwarnung auf eine Smartphone-App oder durch akustische Signale realisiert wird.

Nutzen

Die mit dem beschriebenen Verfahren erzeugten Mobilitätsdaten können neben der geschilderten Sicherheitsanwendung auch für viele andere Anwendungen wie beispielsweise einen zukünftigen autonomen Verkehr im urbanen Umfeld genutzt werden. Weiterhin ließen sich aus den Videodaten weitere Merkmale wie z. B. die Sichtbarkeit der Fahrradfahrer ableiten, die dann zur Verbesserung der Aussagekraft von Unfallstatistiken herangezogen werden können. In diesem Sinne werden also Mobilitätsdaten erzeugt, die einen erheblichen Mehrwert zu den mit herkömmlichen Verfahren erfassten Daten liefern. Gemäß den Zielen der Förderung im Rahmen der Modernitätsfondsausschreibung sollen die Mobilitätsdaten dem BMVI und weiteren Interessenten, wie dem Land Berlin, zur Verfügung gestellt werden – und dies schon zu einem frühen Zeitpunkt im Projektablauf. Dies kann über bestehende Systeme wie die Verkehrsinformationszentrale (VIZ) Berlin und den Mobilitätsdatenmarktplatz (MDM) des BMVI erfolgen.

Testfelder

Das zuvor beschriebene Verfahren zur Generierung und Integration von zeitlich und räumlich hochaufgelösten Verkehrsdaten in bestehende Systemumgebungen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und die Generierung von Warnstrategien soll in dem Projekt an zwei exemplarischen Testfeldern zunächst technologisch und dann auch mit Probanden erprobt werden. Neben dem Kamerahersteller DResearch (DFE) aus Berlin ist die VMZ Berlin Betreibergesellschaft mbH (VMZ) als Betreiber der VIZ Berlin Teil des Konsortiums. Die VMZ wird in Kooperation mit der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz sowie mit der Berliner Polizei kritische Straßenabschnitte identifizieren und die Verknüpfung der neu generierten Verkehrsdaten mit dem vorhandenen Datenstrom in der VIZ Berlin einschließlich übergreifender Analysen sowie die Bereitstellung über den MDM realisieren.

Die Partner

Dieses Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) im Programm „mFund“ (Förderkennzeichen 19F2067A- 19F2067E) gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt beim Autor.

Kontakt

Projektkoordinator
Prof. Dr.-Ing. Thomas Jürgensohn
HFC Human-Factors-Consult GmbH
Köpenicker Straße 325
12555 Berlin

Email:
Telefon: +49 (0)30 549 065 997
Internet: www.human-factors-consult.de